Samstag, 12. Dezember 2009

Davon haben wir nicht mal geträumt...

Vor drei Jahren, nachdem wir Johanna aus dem Krankenhaus abgeholt haben, kämpften wir erst um die Gewichtzunahme. Die Gedanken über unsere Zukunft waren schwarz. Der nette Kindergarten und die vornehme Schule, in die unsere Maria ging, waren für Johanna für immer geschlossen. Der KiGa hatte keine "heilpädagogische Zulassung", die Schule bot eine Alternative in der unmittelbarsten Nachbarrschaft an: eine GB-Sonderschule, die sogar ganze 30 Meter näher zu unserer Haustür wäre...

Seit einem Jahr scheinen einige Änderungen doch immer realistischer. Hier ist ein Artikel aus dem "Spiegel" - wer von unseren "Gästen" ihn noch nicht gelesen hat, kann sich selber ein Bild machen.

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,665802,00.html

Einige Punkte in der Sonderschulpolitik haben mich immer schon geärgert, die Sonderschulen (wie die unsere Nachbarschule) kamen mir wie Kindergärten für große Kinder vor, die Lehrer dort - zum Teil längst verschlafene Persönlichkeiten, die sich "nur" mit schwachen behinderten Kindern auseinandersetzen konnten. Eine Schar rauchender ungepflegter - aber vor allem gleichgültiger Zivis, die die Schüler begleiteten, rundete das Ganze perfekt ab. Nach vielen Jahren fast täglicher Beobachtung solcher Situationen konnte ich mir nur in einem Albtraum vorstellen, mein Kind dort jeden Morgen abliefern zu müssen... Egal, dass das Kind zu diesem Zeitpunkt keine 4 Kilo wog, - ich wollte keine solche Zukunft haben. Wozu sollte man überhaupt kämpfen, wenn diese 4 Kilo bereits aussortiert sind?

Es war mir auch klar, dass es für den Staat nicht so einfach sein wird, je diese festen teuren Strukturen zu lösen. Ein teures Gebäude, unzählige Minibusse, festangestellte Lehrer... Im Artikel sind ein paar finanzielle Aspekte genannt worden, die ich immer schon irgendwie vermutet hatte, und ein paar Wege aufgezeigt worden, diese finanziellen Aspekte in Griff zu bekommen...

Hier sind die letzten Absätze:

Der personelle Aufwand - im Schnitt wird jede Klasse von 1,5 Lehrkräften unterrichtet - erscheint hoch, ist jedoch insgesamt nicht höher, so haben Bildungsexperten ausgerechnet, als würden die Kinder mit Förderbedarf an separaten Schulen unterrichtet werden. Die Lehrer an inklusiven Schulen müssen mehr im Team arbeiten und sich auf oft anstrengende Methoden einstellen. Aber es lohne sich, sagt Helmer. Auch Leistungsstärkere profitierten, wenn sie speziell auf ihr Lerntempo zugeschnittenes Arbeitsmaterial bekämen.

Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung geben die Länder derzeit allein für das lehrende Personal an Förderschulen pro Jahr zusätzlich 2,6 Milliarden Euro aus. Würde man die Förderschullehrer dezentral an Regelschulen einsetzen, könnte dort jeder Schüler mit Förderbedarf zusätzlich zum normalen Unterricht noch 2,4 Stunden Förderunterricht bekommen. Für eine Klasse mit vier Förderschülern wären das fast zehn Wochenstunden für individuelle Betreuung. Gleichzeitig entfielen Kosten für den meist in Kleinbussen organisierten Überlandtransport.

Ob eine solche Rechnung aufgeht, wird derzeit im Landkreis Offenbach ausprobiert. Statt eine Förderschule in Mühlheim am Main zu sanieren, wollte der Landrat das Geld lieber für Personal ausgeben. Er schloss eine Vereinbarung mit dem Kultusministerium: Die Schule wird geschlossen, die zehn Lehrerstellen werden für den Förderunterricht auf vier umliegende Schulen verteilt. Zudem können diese Schulen zusätzlich Sozialpädagogen zur Unterstützung der Förderschüler einstellen - bezahlt vom Kreis, der das Geld für ein komplettes Schulgebäude spart.

Ein Modell für die ganze Republik, in der gerade mal 15,7 Prozent der Förderschüler in allgemeinen Schulen lernen? Vor allem Länder, die zuletzt viel Geld in den Ausbau von Förderschulen investiert haben, tun sich mit einem Richtungswechsel schwer. Gerade im Osten, der stark unter sinkenden Schülerzahlen leidet, würden zum Teil "absurd viele Schüler zu Förderschülern erklärt", sagt Ada Sasse, Pädagogikprofessorin an der Berliner Humboldt-Universität. In Mecklenburg-Vorpommern etwa haben die Behörden bei 10,9 Prozent der Schüler einen "Förderbedarf" attestiert, in Rheinland-Pfalz nur bei 4,4 Prozent. Sasse hat den Verdacht, "dass es in einigen Ländern auch darum gehen könnte, die teuren Förderschulen gut auszulasten".

Mindestens 80 Prozent der Förderschüler, meinen Bildungsforscher wie Hans Wocken, könnten und sollten an normalen Regelschulen unterrichtet werden. Doch ob sich das so leicht umsetzen lässt, wird selbst in den einer Reform aufgeschlossenen Kultusministerien bezweifelt. Fachreferenten wie der Niedersachse Peter Wachtel haben zwar "weitgehend Einigkeit erzielt" über "Kompetenzzentren" oder "Schulen ohne Schüler", von denen aus Sonderpädagogen flexibel an Regelschulen abgeordnet werden, um dort je nach Bedarf Förderschüler zu unterstützen.

Jedoch führen umfassende Veränderungen im Schulsektor häufig zu Unruhe und Protesten. Und viele Politiker sind noch skeptisch, ob die Regelschulen wirklich in der Lage sind, Förderschüler ohne Qualitätsverlust aufzunehmen.

Andererseits wird der Druck noch zunehmen. Schon im nächsten Jahr soll ein Uno-Beauftragter in Genf Bericht erstatten, wie weit Deutschland mit der Umsetzung der Konvention gekommen sei. Eine Schelte werde sich die Republik kaum erlauben können, heißt es in den Kultusministerien. "Schon deshalb wird uns keine Wahl bleiben", meint Wachtel, "als an die Förderschulen ranzugehen."


Hier ist die Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,665802,00.html

Es lohnt sich, etwas Zeit für diesen Artikel zu nehmen.




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